Political correctness ist für mich oft (ich beziehe das
jetzt ausdrücklich auf niemanden hier, da ich hier niemanden kenne und
entsprechend be-/verurteilen kann/darf) ein klassisches Totschlagargument, aber
nicht im Sinne, "das sei nicht politisch korrekt, schäme dich",
sondern im Sinne, "wegen euch politisch korrekten darf man das nicht
sagen." Selber habe ich mich in meiner Meinungsäusserungsfreiheit
jedenfalls noch nie durch "political correctness" eingeschränkt
gefühlt (bzw. in einem Ort vielleicht, aber darauf später), aber ich gehe (oder
versuche es zumindest - leben heisst halt doch leider oft an sich selber
scheitern :o)
auch mit entsprechender Grundeinstellung die Sache an. Sprich, es kann nicht
Ziel sein einer Diskussion, andere zu brüskieren und undifferenzierte
Standpunkte sind sowieso keine Bereicherung einer Diskussion. Geht man also mit
Respekt vor anderen Meinungen (man muss nicht jede Meinung akzeptieren, aber
man sollte schon sachliche Gründe dafür haben, wenn man einem anderen
Standpunkt jegliche Legitimität abspricht) und differenziert die Sache an,
sollte der Vorwurf der Verletzung der politischen Korrektheit wohl kaum kommen,
oder aber er perlt eh an einem ab wie Dreck an einer Lotusblüte.
Nun gut, soviel zur Theorie, oder nennen wir es mal ein Ideal. In der Praxis
ist es halt schon schwerer, man muss eh um das Wort kämpfen in vielen
Diskussionen (wieso fällt mir bloss gerade ein Titularprof. bei mir an der
Universität ein, bei dem sogar Referierende Probleme haben zu Wort zu kommen?)
und es kann auch schnell emotional werden, gerade wenn es um politische
Diskussionen geht oder um Geschichte (speziell wenn es an der Identität einiger
kratzt). Aber dann sollte man den Vorwurf auch etwas leichter nehmen, man ist
sich doch bewusst, dass die Gegenseite wohl kaum all die Differenziertheit, die
wir in unserem Kopf, aber nicht in unseren Voten haben, kennen kann. Wer nicht
alles in die Waagschale wirft oder werfen kann, muss mit Messfehlern leben (ich
wünschte, meine Körperfettwaage würde nicht alles in die Waagschale werfen).
Viele Diskussionen um political correctness gehen auch oft in die Richtung von
Symboldiskussionen. Wer sich auf Symboldiskussionen einlässt, der muss sich
bewusst sein, dass diese höchst amüsant (vgl. dazu z.B. die Protokolle zum
Streit um ein Wappen für das neu gegründete Land Thüringen in den frühen
1920er-Jahren, wirklich, sehr amüsant), aber selten sachlich sein können. Eine
klassische symbolische Diskussion wäre z.B. die Binnen-I-Diskussion, also ob
z.B. von Studenten, StudentInnen, Studierenden oder Studentinnen und Studenten
die rede sein soll. Köstlich Amüsant kann das sein, aber es geht ja an der
eigentlichen Frage vorbei, es wird um das Symbol gestritten, also der
bezeichnung, aber die interessanten Fragen zum Thema Gleichberechtigung, dass
ja ein sehr interessantes und vor allem auch mehrschichtiges Thema ist, werden
so wunderbar umgangen. Man kann Grundsätzliche Antistellung beziehen in so
einer Symboldiskussion, ohne sich mit Inhalt auseinanderzusetzen. Ich bin
selber kein Freund dieser Schreibweise, aber ich sehe was mit der gesamten
Gender-Thematik dahinter steht und vor allem ist mir trotz meiner geringen
Freude an Binnen-Is klar, dass unsere Sprache, die ich ungemein gerne hab,
durchaus sehr diskriminierend sein kann und wir uns das oft gar nicht bewusst
sind. Als Beispiel verweise ich da einfach auf das Wort Mädchen, ein Dminuitiv,
eine "nicht-Verniedlichungsform" dieses Wortes gibt es nicht
(übrigens auch im lat. scheint das so zu sein). Ich will das nicht
dramatisieren, einfach als Beispiel, dass auch "Sprachkritik" und
Sprachgebrauchskritik nicht vollkommen unsinnig ist. Nun gut, ich bin
abgeschweift. Wie sich sicher einige erinnern, war vor einiger Zeit in den
Medien, die Uni Leipzig würde jetzt auf Herr Professorin wechseln, was ja, ganz
nett gesagt, reichlich übertrieben war. Aber da zeigt sich gerade, wie
unsachlich, geradezu hysterisch auf so etwas reagiert wird, vermeintlich auf
die böse politische Korrektheit eingeprügelt wurde und zum Schluss, als sich
der Nebel der verbalen Artillerie gelegt hatte blieb nur die selbstdemaskierung
derer übrig, die sich fundamental dagegen ausgesprochen hatten und die
Bevormundung durch die bösen Feministinnen wie einen weiblichen Teufel an die
Wand malten (und derer die sich nicht informieren können, sondern nur in den
Chor der aufgeregten einstimmen können).
Umgekehrt habe ich aber oft das Gefühl, dass ich von denen, die am lautesten
über politische Korrektheit klagen, am ehesten mit Tabus zu rechnen habe. Als
Schweizer kann ich da natürlich wunderbar neutrale Beispiele bringen (was wohl
von Vorteil ist, da sobald es politisch wird eh eine gewisse emotionale
geladenheit im Raum steht). Wenn ich den Umgang der Schweizer Politik mit ihren
Altlasten (Raubgold, Verdingwesen, "Kinder der Landstrasse",
Zwangssterilisationen usw. usf.) kritisiere, kriege ich sicher zu hören, ich
sei ein Nestbeschmutzer, Landesverräter, ich könne meinen Pass ja abgeben usw.
usf. Aber Hallo, wenn das keine Tabus sind (Nestbeschmutzer finde ich am
nettesten, der, der die Kloake im Haus endlich ausmisten will, der ist also ein
Nestbeschmuter... klingt sinnig).
Aber bevor ich noch weiter mäandriere vielleicht doch ein Résumé (oder
Abstract, um es mal Unideutsch zu sagen): Politische Korrektheit sollte meist
bei angemessen differenzierter Haltung und üblichem Anstand und Respekt vor
Diskussionspartnern kein Problem sein und sollte der Vorwurf dann doch mal
kommen, sollte er kaum weh tun, man weiss ja, dass dem nicht so ist und die
anderen sollten es ja auch mitbekommen haben. Sollte die eigene Meinung aber
halt nicht entsprechend differenziert sein oder der Respekt den anderen
Gegenüber fehlen, dann muss man mit dem Vorwurf leben, er ist ja nicht so
falsch (hier können wir auch die Schwulenthematik die in einem anderen Post
angetönt wurde wieder als Beispiel aufnehmen: Geht es um den CSD/Pride sind die
Lesebriefspalten und Foren voll von Kritik, von wegen aufmerksamkeitssüchtigen
Schwuchteln, die wohl nicht normal sein können. Es wird betont, wenn sie voll
angepasst und unauffällig wären, wäre es natürlich kein Problem. Umgekehrt
Streetparade, Sechseläuten usw. (ja ja, ich lebe in Zürich und für die die
nicht wissen was ein Sechseläuten ist, eine Art grossbürgerliche Fassnacht)
sind natürlich ganz toll und so schön bunt und vielfälltig. Da stellt man sich
natürlich schon die Frage, warum dasselbe bei Schwulen pfui und bei Heteros Hui
sein soll. Aber umgekehrt wäre hier der Vorwurf, dass solche Kritik an Schwulen
politisch unkorrekt sei auch nicht nützlich, denn das ist ja nicht politisch
unkorrekt, sondern einfach zutiefst scheinheilig/doppelmoralisch, hier würde
die politisch Korrekt-Keule also das eigentliche Problem verfehlen (was auch
wieder aufzeigt, dass sie oft eher von „ihren Gegnern“ herbeigeredet wird,
selten wirklich sinnvolles Argument.
Und um mich noch in die Nesseln zu setzen, jemand sagte mal
(ich weiss nicht mehr wer), dass die Krux derer, die die Erinnerungskultur zur
Nazizeit kritisieren, die immer betonen, man habe sich doch genug damit
auseinandergesetzt habe und man es doch jetzt hinter sich lassen könne, oft die
seien, die sich mit dem Nationalsozialismus zu wenig auseinandergesetzt haben.
Die Kritik trifft meiner Meinung nach zu (okay, ich studiere im Nebenfach
Geschichte der Neuzeit, vielleicht bin ich da ja nicht objektiv ^^)
Ich hoffe, man sieht mir nach, dass ich etwas breiter und
länger geschrieben habe – aber ich muss mich vor Unikram drücken ^^. Im ernst,
es soll nichts davon eine Kritik an jemandem sein oder ein konkretes Statement
für oder gegen etwas sein.