Karlsruhe skeptisch bei Online-Durchsuchungen

  • Verfassungsgericht berät über Schutz der Privatsphäre - Gegner des Gesetzes sind zuversichtlich - Entscheidung erst im kommenden Jahr
    Karlsruhe - Wären die Verfassungsrichter aus der Ukraine doch einen Tag früher gekommen. Erst heute ist eine sechsköpfige Delegation aus dem osteuropäischen Land zu Gast bei Hans-Jürgen Papier, um sich von dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts über das Verhältnis Karlsruhes zur Politik informieren zu lassen.Dazu kann Papier eine Menge erzählen, aber gestern hätten die Ukrainer eigene Anschauung zu diesem Thema gewinnen können - und vermutlich hätten sie an den Fähigkeiten der deutschen Regierungspolitiker in Land und Bund gezweifelt. Denn das Versagen des Gesetzgebers war der Auslöser der mündlichen Verhandlung des Ersten Karlsruher Senats über mehrere Verfassungsbeschwerden gegen die sogenannte Online-Durchsuchung: In Nordrhein-Westfalen wurde von der Landesregierung aus Union und FDP ein handwerklich offenbar mangelhaftes Gesetz verabschiedet, in Berlin überlagerten parteitaktische Auseinandersetzungen zwischen Union und SPD eine konstruktive Debatte über die verfassungsrechtlichen Auswirkungen dieser Ermittlungsmethode für Polizei und Geheimdienste im Anti-Terror-Kampf.Mit dem Schlagwort der Online-Durchsuchung ist der heimliche Zugriff staatlicher Behörden auf informationstechnische Systeme Terrorverdächtiger gemeint. Ausgangspunkt des Karlsruher Verfahrens ist eine Regelung des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetzes, das dem Inlandsgeheimdienst diesen Zugriff erstmals in Deutschland gewährt. Allerdings ist das Gesetz derart nachlässig und unpräzise formuliert, dass sich weder ein hochrangiger Vertreter der Landesregierung noch ein Mitglied des Landtags nach Karlsruhe traute. Auch der Prozessbevollmächtigte der schwarz-gelben Regierung, Dirk Heckmann, bot einen traurigen Auftritt: Nach seiner Verteidigungsrede für das Gesetzeswerk musste er sich von Papier schulmeistern lassen. "Ich gestatte mir die Frage, ob wir vom gleichen Gesetz ausgehen", spottete der Gerichtspräsident. Und auf Heckmanns hilfloses Geständnis, der Landesgesetzgeber sei dankbar für Hinweise, wie sein Wille in ein vernünftiges Gesetz gefasst werden könnte, sagte Papier: "Wir werden uns bemühen, Ihnen zu helfen."Nach der Verhandlung zweifelte keiner der Prozessbeobachter daran, dass die Verfassungsrichter die Bedenken der Kläger gegen das Landesgesetz teilen. "Ich bin der festen Überzeugung, dass das Gericht das Gesetz mit Pauken und Trompeten verwerfen wird", sagte Dieter Wiefelspütz. Der SPD-Politiker erhofft sich von dem Verfahren zudem höchstrichterliche Argumentationshilfe für den Streit mit der Union über die Einführung der Online-Durchsuchung auf Bundesebene - und wird sie wohl auch bekommen. Gerichtspräsident Papier unterstrich, dass die zu erörternden Verfassungsfragen grundsätzliche Bedeutung haben. Die Überlegungen des Gerichts zu den von einer Online-Durchsuchung betroffenen Grundrechten könnten "weit über die hier konkret streitgegenständlichen Vorschriften des nordrhein-westfälischen Gesetzes hinaus Bedeutung erlangen", sagte Papier.Das ist ganz im Sinne von Gerhart Baum (FDP), dem prominentesten Kläger gegen das NRW-Gesetz. Der ehemalige Innenminister wandte sich in seiner Stellungnahme nicht nur an das Gericht, sondern auch direkt an die Vertreter der Bundesregierung im Gerichtssaal. Baum warnte davor, den Eindruck zu erwecken, "die Online-Durchsuchung sei der Schlüssel zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus". Ein heimlicher Komplettzugriff auf die Festplatte sei ein Grundrechtseingriff von neuer Qualität, der in den "entgrenzten Präventivstaat" führe. Innenstaatssekretär August Hanning (CDU) hielt dem entgegen, Online-Durchsuchungen seien für die Gewährleistung der Sicherheit zwingend erforderlich: Das Internet sei das entscheidende Medium bei der Vorbereitung von Anschlägen geworden.In den Beratungen der Richter in den nächsten Monaten wird eine Fülle von hochkomplexen Fragen geklärt werden müssen: Auf welche informationstechnischen Systeme soll mit der Online-Durchsuchung zugegriffen werden? Nur auf die Kommunikation oder auch auf die Festplatte? Und wie weit reicht dabei der verfassungsrechtliche Schutz der Privatsphäre?Eine Entscheidung wird erst im nächsten Jahr erwartet. Für den deutschen Gesetzgeber wird es ein Grundsatzurteil über Zulässigkeit und Grenzen der Online-Razzia sein. Aber auch für die Verfassungsrichter aus der Ukraine könnte sich ein Studium der Begründung lohnen: als Lehrstück über den Einfluss des Verfassungsgerichts auf die Politik.


    Quelle http://www.welt.de/welt_print/…nline-Durchsuchungen.html

  • Naja ... wenn man da mal im Auge behält, was für ein Aufwand so eine "Durchsuchung" is (was gemacht wird, ist ja zahlreichen Fachzeitungen und Webseiten zu entnehmen) ist ja eigentlich davon auszuegehn, das das nicht beim kleinen Raubkopierer um die Ecke gemacht wird, und wohl auch nicht beim größeren Kinderschänder um die andere Ecke, wenn mir diese Aussage erlaubt sei.
    Bei der Durchsuchung werden 2 Einbrüche vorgenommen ... und die müssen, um keinen Verdacht zu erregen, so aussehen, als wäre niemand da gewesen. Zumindest beim ersten Mal ;)
    Wenn eine Behörde soetwas machen will, dann wirds
    a) nicht die Polizeistation um die dritte Ecke (erwähnte ich, das es hier sehr verwinkelt ist? :P )
    b) nichtmal die Kripo sein
    c) ohnehin schon massig Verdachtsmomente gegen Betroffene haben, und die notfalls auch duch Indizien belegen können (Der Beweis wäre dann wohl auf der Festplatte ;) )


    Mit anderen Worten: WIrd die Durchsuchung nicht so durchgeführt, gibts immernoch die guten alten Razzien, bei denen der Rechner gleich mitgenommen wird. Ist im Grunde nix anderes.



    Bitte keine Qualityupgrades meiner Serien ohne Rückfrage!!!

  • moin moin,


    falls das zu verwirrend war, hab ich mal einen Plan von der Gegend gemacht (thx wikipedia):
    :D


    Online soll (theorethisch) nur durchsucht werden, wenn weitere Ergebnisse aus dem Surfen erwartet werden (Namen, Adressen...). Und nur wenn die übliche Technik á la Odysseus nicht funktioniert, ist eine physische Manipulation des betroffenen Rechners vonnöten. MS wird da wohl im Falle eines Gerichtsbeschlusses noch so den einen oder anderen hack im Angebot haben, wenn die anvisierte Infektion via Behörden-eMails o.ä. nicht fruchten sollte. Wir verruchten Kopierer dürften in der Tat eher mit einem unfreundlichen Rollkommando rechnen, da unsere Gang sich öffentlich an board trifft und kaum subversive Pläne via p2p ausheckt.


    Nichtsdestotrotz sind die Pläne zur Online-Visite eher grotesk.